Fischer von Erlach plant ein Jagdschloss
Im Jahr 1685 erwarb Ernst Rüdiger Graf von Starhemberg die Herrschaft Engelhartstetten mit dem Dorf Niederweiden. Die einst imposante mittelalterliche Burg Grafenweiden, einige hundert Meter vom heutigen Schloss entfernt, war zu diesem Zeitpunkt bereits eine Ruine und das verlassene Dorf von Dickicht überwuchert.
Um 1693 beauftragte Graf von Starhemberg den Architekten Johann Bernhard Fischer von Erlach, unweit des verfallenen Dorfes Niederweiden ein kleines Jagdschloss zu entwerfen. Der Architekt plante aus drei geometrischen Grundformen (Oval, Rechteck, Quadrat), die er zueinander in wechselvoller Beziehung setzte ein luftiges „Lustgartengebäude“. In der dreidimensionalen Fassadengliederung mit ihren vor- und zurückschwingenden Bauteilen und dem erhöhten ovalen Mittelsaal mit einer von Skulpturen bekrönten Attika ist das Leitmotiv in Fischers Formensprache deutlich erkennbar. Westlich des Schlosses wurden zwei kleine Wirtschaftsgebäude, die Wildküche und die Zuckerbäckerei, errichtet.
Prinz Eugen neuer Besitzer
1726 erwarb Prinz Eugen von Savoyen von der Witwe Maria Josepha Gräfin von Starhemberg um 177.000 Gulden den Besitz Engelhartstetten mit dem Schloss, das in den zeitgenössischen Quellen als „Jagdschloss Engelhartstetten“ bezeichnet wurde, und verband ihn mit der Herrschaft Hof. Seit dieser Zeit sind beide Schlösser durchgehend in vereintem Besitz.
Prinz Eugen veränderte in Schloss Niederweiden nur wenig. Lediglich eines der vier Wohnappartements wurde für ihn neu adaptiert. Östlich des Schlosses ließ Prinz Eugen einen großzügigen Garten anlegen, der durch eine Mittelachse in einen landwirtschaftlich genutzten Bereich (mit Obst- und Gemüseflächen) und in ein sogenanntes „Lustwäldchen“ geteilt war. Dieser rokokohafte Garten mit allerlei versteckten Plätzen, verschlungenen Wegen und spektakulär gestalteten Rasenplätzen gab Zeugnis von einem Wandel in der Gartenkunst: Ließ der Schlosshofer Garten noch die strenge Symmetrie des Barock erkennen, war hier die verspielte Unregelmäßigkeit das wichtigste Gestaltungsprinzip.
Niederweiden als Ort für Feste
Nach dem Tod des kunstsinnigen Feldherrn 1736 erbte seine Nichte Anna Victoria von Savoyen-Soissons beide Schlösser und schenkte sie zwei Jahre später anlässlich der Vermählung ihrem thüringischen Gemahl Joseph Friedrich von Sachsen-Hildburghausen. Niederweiden mit seinem neu angelegten Heckentheater im Garten wurde nun wiederholt Schauplatz berauschender Festlichkeiten. 1754 sah sich der Besitzer jedoch genötigt, beide Schlösser gewinnbringend zu veräußern. Mit Hilfe eines viertätigen Festes sollten die Ehrengäste Maria Theresia und Franz I. Stefan von Lothringen zum Kauf animiert werden.
Umgestaltung unter Maria Theresia
Ein Jahr nach der großen „Verkaufsveranstaltung“ erwarb Maria Theresia 1755 beide Schlösser um 400.000 Gulden und machte sie ihrem Gemahl zum Geschenk. Nur 10 gemeinsame Jahre blieben dem Kaiserpaar diese Besitzungen unter anderem für Jagden zu nutzen.
Nach dem Tod Franz Stephans 1765 beauftragte Maria Theresia den k. k. Oberhofarchitekten Nikolaus von Pacassi mit einer umfassenden Neugestaltung des Schlosses. Das Flachdach mit der Attikazone wurde durch ein Mansardendach ersetzt. Ein seitliches Stiegenhaus führte nun in die Gemächer des ersten Stockes, in dem vier Appartements mit chinesischen Papiertapeten und zahlreichen Kupferstichen ausgestattet wurden. Die neue Kuppeldecke über dem ovalen Festsaal erhielt durch den Künstler Jean-Baptiste Pillement illusionistische Wandmalereien mit exotischen Pflanzen, Vögeln und orientalischen Musikanten. 1770 wurde auf Wunsch Maria Theresias durch den Schönbrunner Hofgärtner Louis Flechier eine Allee zwischen den Schlössern Hof und Niederweiden angelegt.
Vom Niedergang
Mit dem Ableben Maria Theresias begann für Niederweiden allmählich der Niedergang. Sukzessive wurden einzelne Möbel entweder nach Schloss Hof oder nach Wien überstellt. Die Gärten verwilderten vollkommen. Nachdem Kaiser Franz Joseph Schloss Hof der Heeresverwaltung übergeben hatte, wurden auch in Niederweiden sämtliche kunst-und kulturhistorisch wertvollen Objekte entfernt und abtransportiert. Übrig blieb das leerstehende, ungenutzte Schlossgebäude.
Während des Ersten Weltkrieges diente das Erdgeschoß des Schlosses sogar als Pferdestall. Nach dem Ende der Monarchie ging Schloss Niederweiden wie auch Schloss Hof in das Staatseigentum der neugegründeten Republik Österreich über. In den folgenden Jahren stürzten die Decken der Räume teilweise ein, Fenster und Türen waren seit langem bereits mit Holzplanken vernagelt. Der bauliche Zustand verschlechterte sich dramatisch, als im Zweiten Weltkrieg auch noch das Kuppeldach des Saales einstürzte. Die im Jahr 1956 begonnenen Renovierungen wurden nach einem Brand, bei dem nahezu das gesamte Dach vernichtet wurde und auch die Decke des Stiegenhauses einstürzte, eingestellt.
Die Wiedererstehung
Anlässlich der Niederösterreichischen Landesausstellung 1986 mit dem Titel „Prinz Eugen und das barocke Österreich“, begannen auch am Schloss Niederweiden umfassende Wiederherstellungsarbeiten, die das Schloss vor dem endgültigen Verfall bewahrten. Der im Jahr 1987 gegründete Marchfelder Schlösserverein veranstaltete in den folgenden Jahren mehrfach Ausstellungen unter anderem in Schloss Niederweiden.Unter der Verwaltung der 2002 gegründeten Marchfeldschlösser Revitalisierungs-und Betriebsges.m.b.H. wurde Schloss Niederweiden vorwiegend für Veranstaltungen vermietet.
Seit der im Jahr 2015 erfolgten Übernahme in die Verwaltung der Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H. wird Schloss Niederweiden nun dauerhaft als Ausstellungsort genutzt.